Sonntag, 31. Januar 2016

Dyskalkulie - Fortschritte?

Wenn ich hier schreibe, wie ich mit meiner Tochter zu Hause mit den Stäbchen arbeite, könnte der Eindruck entstehen: super, ich arbeite mit Hilfe der Stäbchen ein Heft durch und jedes Problem ist behoben.

So ist das bei Weitem nicht. Ich versuche mit meiner Tochter dran zu bleiben und etwas zu tun. Einfach, weil wir derzeit keine andere Möglichkeit haben. In unserem Bundesland erfordert ein erfolgreicher Antrag nach § 35a SGB VIII, dass die Schule die notwendige Förderung nicht leisten kann. Es reicht also nicht aus, dass das Kind von einer seelischen Behinderung bedroht ist. 

Zum jetzigen Zeitpunkt ist der Mathelehrer meiner Tochter jedoch davon überzeugt, dass seine Förderung ausreicht. Klar, sie hat jetzt einen speziellen Ordner, in welchem sie nochmals ganz langsam das Zerlegen beim Zehnerübergang speziell bei Rechenstörungen üben soll. Zusätzlich arbeitet sie wie alle Kinder in einem Heft das sich den Zehnern bis 100 widmet. 
Aber dieses Durcharbeiten erfolgt wieder weitgehend ohne erläuternde Hilfe und es handelt sich im Grunde wieder einfach nur um Kopien der altbekannten, aber nicht beherrschten Themen.
Zudem sagt meine Tochter in der Schule nicht, was sie nicht versteht. Zu Hause weiß sie dann nicht, wie sie die Rechenschiffchen passend zu den Aufgaben ausmalen soll oder weint, weil nach ihrem System bei einer bestimmten Aufgabe doch bestimmt 11 rauskommen müsse und nicht 12, wie sie es richtig errechnet hat. Denn sie bestimmt das richtige Ergebnis auch immer in Zusammenschau mit den anderen gestellten Aufgaben. 

Mir ist unverständlich, wie ein Lehrer ihr im Zeugnisgespräch zum Halbjahr 2. Klasse erklären kann, wie groß ihre Fortschritte sind, weil sie jetzt mit Zehnern bis Hundert arbeitet. Dass sie weder subtrahiert, noch rückwärts zählt, nun ja...

Geht es um Zehner, orientiert sich meine Tochter nur an der ersten Stelle des Zehners und setzt um was sie auf Rechnen bis 10 anwendet. Zu Hause kommen dann so schlaue Sätze wie:
"Ich habe immer gedacht, zwischen 10 und 20 und 20 und 30 ist nichts. Aber da sind auch Zehner, dass habe ich in der Schule am Zahlenstrahl gesehen." 


Dies alles hat mich dazu veranlasst mit ihr einen Test nach "Rechenstörungen - Diagnose und Förderbausteine" aus dem Klett-Verlag zu machen. Dieses Buch ist für Grundschullehrer konzipiert, aber sehr einfach zu verstehen. Nach diesem hat sie Verständnisprobleme im Zahlenfeld (Zahlauffassung, Zahldarstellung), Vor- und Nachfolger, Verdoppeln und Halbieren, Operative Strategien, Subtraktion.

 
Ich muss gestehen, dass ich das Ergebnis des von mir durchgeführten Tests sowohl an unsere Ergotherapeutin als auch an den Mathelehrer weiter gegeben habe. Das Problem ist nämlich, dass ich zwar das Testergebnis der Psychologin über die diagnostizierte Dyskalkulie bekommen habe, jedoch naturgemäß keine Auswertung über die problematischen Bereiche. Somit weiß die Ergotherapeutin - welche auch in diesem Bereich ausgebildet ist -  zwar, dass Dyskalkulie vorliegt, aber nicht welche die zu behandelnden Defizite sind. Eine Diagnostik führt sie nicht durch, da sie kein Lerntherapeut ist. Sie hat sich sehr über den Test gefreut, jegliches Rechnen und Zerlegen für überflüssig erklärt und beginnt nun mit der Förderung des Verständnis des Zahlenfeldes. Alles andere mache keinen Sinn.
Aber auch die Schule führt keine Diagnostik durch. Da erfolgt die Förderung wohl auf Grund von Erfahrung. Klar war ihr Lehrer nicht begeistert, als er den Test von mir bekam. Riecht auch sehr nach Einmischen. Aber was soll ich machen, um aufzuzeigen, wie grundlegend ihre Defizite sind? Ich nehme an, sie halten mich für hysterisch. Meine Tochter tut nämlich während des Unterrichts weitgehend so als würde sie arbeiten. Schreiben, radieren, schreiben, radieren...
Im Grunde kann ich nur raten, vom Helfen und Üben bei den Hausaufgaben abzusehen, damit die Lehrer sehen, wie schwerwiegend das Verständnis gestört ist. Aber dem Kind nicht sagen, dass es falsch rechnet? Es sehenden Auges in die Schule gehen lassen? Auch Kinder, die nicht rechnen können, möchten in der Schule nicht dermaßen bloß gestellt werden. 

Was machen ich nun? Zahlenfeld üben. Spiele wie "Mensch-Ärger-Dich-Nicht", bei denen man passend zum Zählen setzen muss, spielen. Im Rechenschiffchen lasse ich Aufgaben legen (z.B. 7+8) und durch Einkreisen lasse ich sie das Bündeln von Mengen und Strategien üben. Dazu spielen wir noch auf Anraten der Ergo-Therapeutin Halli Galli (Früche) sowie viele andere Brett- und Kartenspiele. Und natürlich machen wir weiter mit den Stäbchen...

Ich habe hierzu einen interessanten Artikel zur Förderung des Mengen-, Ziffern- und Zahlbegriffs durch Spiele auf der Seite des Kita-Handbuchs gefunden. Dort wird ganz genau beschrieben, in welcher Reihenfolge man Spiele einführen sollte um der Entwicklung des Zahlbegriffs gerecht zu werden. Viele schöne Anregungen.