Freitag, 8. Januar 2016

Wie oft, wie lange und wann üben?

Meine Tochter war in der ersten Zeit unserer "Arbeit" mit den Stäbchen zunächst eher ablehnend. Sie war frustriert. Schon in der ersten Klasse hatte sie auf Mathe psychosomatisch reagiert, geschimpft, geheult, verweigert.
Ich habe ihr Hilfe zugesichert. Leider kam diese nur schleppend voran. Die Lehrer sahen unerklärliche Probleme, wollten aber abwarten und beobachten. Auf die erforderliche Testung musste bis zur 2. Klasse gewartet werden, da diese erst dann aussagekräftig wäre. Andere Rechenhilfen (Abakus, Steckwürfel, Eierkartons) brachten kein Verstehen und keine Fortschritte und meine Tochter fand alles schrecklich doof und sich selbst - da diese Hilfsmittel nicht halfen - besonders dumm. Einzig meine wiederholte Zusicherung mit den Lehrern in Gespräch zu sein und nach einer Testung Hilfe zu bekommen sowie das Abbrechen der Hausaufgaben, wenn sie zu lange dauerten oder zu schwer waren, halfen uns die Zeit einigermaßen zu überstehen. 

Mit Beginn der 2. Klasse begannen wir mit den farbigen Stäben. Zunächst machte sie wiederwillig mit und ich versuchte alles möglichst kurz und locker zu halten. Es war ja zunächst auch noch eher ein Herumprobieren von uns beiden. 
Irgendwann wurde ich sicherer. Ich betonte und betone dies auch heute noch: Mathe soll nicht schwer sein. Wenn sie etwas nicht versteht, dann haben die Lehrer und ich es nicht richtig erklärt. Sie muss anders lernen als andere, sicher auch mehr. Aber eine Qual sollte es nicht sein.

Jeden Tag üben?
Ich versuche jeden Tag etwas zu machen. Vier mal die Woche finde ich ausreichend, sollte aber zur regelmäßigen Wiederholung sein. Zur Zeit setze ich 15 Minuten an. Mit Uhr. Bei jeder Ablenkung, längere Unterhaltung, Stifte suchen, auf Toilette gehen unterbreche ich die Stoppuhr. Dann gibt es entweder eine kurze Pause (2-3 Minuten) und nochmals ca. 10 Minuten oder es reicht.  Sollte ich merken, dass sie an diesem Tag schon müde ist, lassen wir es ausfallen. Es wäre eh umsonst. Auch wenn mich meine Tochter fragt, ob wir heute lernen müssen oder besondere Tage sind, fällt "Lernen" aus. Wichtig ist, dass jede Lerneinheit positiv enden sollte. Lob kann man nicht genug verteilen, gerne nach dem Gießkannenprinzip. Jede richtig gelegte Kombination oder eigene Idee kann gern überschwenglich gelobt werden.
Und ganz wichtig: eine halbe Stunde nach dem lernen kein Fernsehen, kein Nintendo und ähnliches. Sonst ist alles umsonst, weil es nicht ins Langzeitgedächtnis wandern kann.

Wichtig ist: Da wir zur Zeit nur eine schulische Förderung in dem Sinne haben, dass sie im normalen Unterricht mit besonderem Material langsam den Stoff der ersten Klasse bearbeitet, pfusche ich keinem Lerntherapeuten ins Handwerk bzw. mache auch noch zusätzlich Mathe mit einer anderen Methode. Dass fände ich kontraproduktiv. 

Heute - nach ca. 4 Monaten Anwendung - macht meiner Tochter Mathe Spass. Klar, sie hat noch immer Angst vor Mathe in der Schule. Aber sie merkt auch, dass kann sie schaffen. Denn was sie zur Zeit an Stoff der 1. Klasse im Unterricht wiederholt, das kann sie tatsächlich. 
Auch machen wir jede Menge Spiele und praktische Übungen. So benutze ich eine Waage um "größer", "kleiner" und "gleich" aufzuzeigen und erarbeite "doppelt" und "halb" mit Legosteinen.

Es sind kleine Meilensteine, wenn meine Tochter selbstständig feststellt, dass "Einer" in jeden Stab passen und jeder "Zehner" gerade ist, weil man ihn mit "Zweiern"  füllen kann. Auch fragt sie im Bett abends nach Matheaufgaben. Klar stelle ich nur welche, die sie kann. Aber mit diesem Gefühl einzuschlafen muss riesig sein.

Irgendwie wirkt es. Seit wir "Mathe begreifen" zu Hause haben, will sie sogar freiwillig arbeiten und spielen. Die Spiele holt sie sich auch so heraus oder fängt jetzt gerade an fantasievoll mit den Stäbchen zu bauen. Die Grundstimmung hat sich total geändert und ich hoffe, dass uns das noch eine Weile begleiten wird.