Montag, 23. Oktober 2017

Ursache für Rechenschwäche und Dyskalkulie

Für Rechenschwäche gibt es viele verschiedene Ursachen. Diese herauszufinden, ist Voraussetzung für eine nachhaltige Verbesserung der mathematischen Fähigkeiten. 

In Betracht ziehen sollt man: 
- fehlende „mathematische Vorläuferfertigkeiten“, s.u.
- allgemeine oder selektive Entwicklungsverzögerungen
- ADS /ADHS
- AVWS
- Sehschwäche

Bei meiner Tochter greifen mehrere Punkte. Bestimmte Fähigkeiten (Mengenerfassung) waren zu Beginn der ersten Klasse einfach nicht vorhanden. Sie hat keine AVWS, aber ein sehr schlechtes akustisches Kurzzeitgedächtnis, dass aber wohl auf der ADS beruht. Was nicht interessant ist, wird nicht abgespeichert 
Zudem hat sie in der ersten Klasse eine Brille bekommen, da sie weitsichtig ist. Bei zu kleiner Schrift hat sie Kopfschmerzen bekommen. Zum jetzigen Zeitpunkt hat sich das soweit verwachsen, dass sie nur äußerst selten nach der Brille verlangt. 
Der Unterricht - das selbständige Arbeiten und die bunt gestalteten Hefte - war für sie nicht geeignet. Sie kann ihre Aufmerksamkeit nur schlecht lenken und lässt sich schnell ungewollt ablenken 

Mathematischen Vorläuferfähigkeiten:  

Wie das Vorliegen von „pränumerischen Fähigkeiten“ getestet wird, erläutert der Beitrag „Training mathematischer Vorläuferfertigkeiten im Vorschulalter“ von Gerhild Merdian des Online-Handbuch Kindergartenpädagogik. 
Welche genau diese "Vorläuferfertigkeiten" sind, findet ihr im oben genannten Artikel oder hier.

Hilfreich soll es sein, bereits im Kindergarten ein mathematisches Denken in Strukturen zu fördern, zum Beispiel durch Einsatz von Montessori-Materialien.
Meine Tochter war 5 Jahre in einer Montessori-Einrichtung. Trotz des oft wiederholten Mantras, dass hierdurch keine Vorschularbeit notwendig sei, da die Kinder schon vom kleinsten Alter her an mathematische Material (rosa Treppe, brauner Turm, Perlenmaterial) herangeführt werden, hat dies bei meiner Tochter kolossal versagt. Die Kinder hatten die Möglichkeit der freien Spielzeugwahl und meine Tochter vermied, was sie nicht konnte oder mochte (Puzzle, Brettspiele, Konstruktionsmaterial). Auch zu Hause waren Puzzle, Lego oder Würfelspiele nicht angesagt. Zudem war sie sehr gut in der Lage die meisten mathematischen Montessori-Materialien richtig zu verwenden. Sie baute nicht nur Treppe und Turm nach Größe korrekt. Sie arbeitete auch mit dem Perlenmaterial und zählte Chips bis 10 korrekt ab. Einzig ihr Vorschularbeitsheft zeigte schon die Abneigung. Während die Buchstabenseiten ausgefüllt waren, lies sie die Matheseiten mit Einkringeln oder Abzählen leer, Zahlen schrieb sie gern spiegelverkehrt. Da ich das Heft erst mit Verlassen des Kindergartens das erste Mal sah, hätte mir das aber auch nicht auffallen können.

Heute wäre ich insgesamt aufmerksamer, wenn mein Kind sich nicht den Tagesablauf merken könnte, Vorschulmaterial (diese tpischen aus der Buchhandlung) ablehnt, nicht gern ausmalt. Wenn ich das so im Rückblick lese, denke ich, dass ich hätte früher aufmerksam werden sollen. Aber meine Tochter war völlig unauffällig. Sie hat nicht laut brüllend verweigert, nur eben sich anders beschäftigt

Kürzlich haben wir Dominsteine für uns entdeckt. Diese kann man ab 6 Jahren auch wunderaabr einsetzen und Mengen deulich zu machen zu zählen. So könnte immer abwechselnd 5 jeder Farbe aufstellen oder Mengenschätzen.

Donnerstag, 19. Oktober 2017

Diagnose ADS

Lange ist es her, dass ich hier etwas geschrieben habe. Mir geht es häufig so, dass ich enthusiastisch etwas anfange. Aber ich bleibe selten lange dabei. So ist es leider auch hier.

Und doch möchte ich hier noch einmal etwas schreiben, wie es in den letzten Monaten weiter gegangen ist, und wie es meiner Tochter nun geht.

Meine Tochter geht jetzt in die 4. Klasse. Sie hat gerade eines ihrer 2 Arbeitshefte für die 3. Klasse beendet und schwimmt sehr solide mit ihrer Klasse mit, teils ist sie den Kindern auch voraus.

Zur Erinnerung: meine Tochter geht auf eine private Schule bis zur 10. Klasse, d.h. es gibt keinen Wechsel nach der 4. Klasse. Dadurch haben die Lehrer länger Zeit für die Vermittlung des Grundschulstoffes, da sie nicht damit beschäftigt sind in der 5. Klasse Kinder verschiedener Schulen auf einen Stand zu bringen. Nach den Herbstferien mit dem Stoff der 4. Klasse zu beginnen, ist daher okay.

Das Arbeitsheft der 3. Klasse hat sie mit viel Fleiß in den Sommerferien fertig gestellt und nun könnte man sagen, dass ist eine tolle Leistung für ein rechenschwaches Kind.

Nur hat eine erneute Testung ergeben, dass mein Kind gar nicht rechenschwach ist, sondern im Gegenteil ganz besonders logisch-analytisch und räumlich-visuell begabt. Ihre neue Psychologin will daher die Dyskalkulie-Diagnose nicht aufrecht erhalten.

Warum fiel meiner Tochter dann aber Mathematik in der 1. und 2. Klasse so schwer?

Nun es besteht ein Verdacht auf ADS. Schwerpunkt Ablenkbarkeit und leichte Impulsivität. Meiner Tochter fiel es einfach schwer, sich in der 1. Klasse bei den vielen ablenkenden Kinder, dem Lärm und den vielen neuen Anforderungen auf den Unterricht zu konzentrieren. Ihre bunten Arbeitshefte und das moderne eigenorganiserte und selbständige Arbeiten der Kinder lagen ihr überhaupt nicht. Denn das ist ja heute das größte Argument für die verwendeten Arbeitshefte. Die Kinder sollen sich möglichst alleine die Mathematik erarbeiten.

Wenn dann ein Kind zu Beginn der 2. Klasse getestet wird und es wird festgestellt, dass es dem Kind bei normaler Intelligenz an mathematischen Grundlagen fehlt, ist der Abstand zwischen Soll und Haben so groß, dass das Kind ganz schnell die Dyskalkulie-Diagnose hat.

Solange dies nur als Vedacht geäußert wird und der zuständige Psychologe nun testet, warum das Kind Schwierigkeiten hat, ist dies kein Problem. Dies hat die erste Psychologin unserer Tochter aber nicht getan.

Zu Beginn der 3. Klasse habe ich die Psychologin erneut aufgesucht und es wurde das Gedächtnis getestet. Das Arbeitsgedächtnis war auffällig, aber auch diese Schwäche  - welche häufig auf ADS hinweist - führte zu keinen weiterführenden Testungen und dem schlichten Hinweis, ich müsse meine Tochter so akzeptieren wie sie ist.

Das tue gern. Ich liebe sie. Aber mein Bauchgefühl sagte mir, dass es doch nicht sein kann, dass ich meiner Tochter ohne Problem im Alleingang Mathematik beibringe und sie rechenschwach sein soll.

Folgerichtig hat ihre neue Psychologin auch gesagt, dass sie keinerlei Förderung braucht. Diese sollte sowohl zu Hause als auch in der Schule eingestellt werden. Diese Empfehlung basiert darauf, dass meine Tochter überdurchschnittlich clever und sehr sensibel ist und sich im Vergleich zu den anderen Kindern als sehr schlecht einschätzt. Ihr Selbstbewußtsein ist eher niedrig. Das liegt sicher an ihrem Eindruck während der 1./2. Klasse. Alles zu viel, nichts verstanden, viel verpasst. Dann die Nachhilfe zu Hause. Diese war ja leider auch wirklich nötig, sonst hätte sie den verpassten Stoff nie aufgeholt und wäre immer weiter zurückgefallen.

Witzig ist, dass ich selbst zum Zeitpunkt dieser Auswertung schon in der Schule darum gebeten habe sie aus der Förderung zu nehmen. Diese wurde von nicht in Mathematik oder Förderbereich ausgebildeten Lehrern vorgenommen. Es war ja lieb gemeint, aber völlig überflüssig, da sie einen Wissenstand erreicht hatte, der jede Förderung für absurd erscheinen lies und zum anderen das Arbeiten in einer größeren Gruppe wegen der beständigen Ablenkung für sie keine Fortschritte bringt. Diese Gruppe kam im Übrigen eh erst nach 3 Jahren Drängen der Eltern zu stande, d.h. meine Tochter hatte erst einmal daran teilgenommen.

Nun ist also ein Punkt erreicht, wo ich mit gutem Gewissen sagen kann:nur noch ganz normaler Unterricht. Aber: ich werde sie zukünftig ganz engmaschig begleiten. Schauen, wie schnell sie mitkommt und sie wohl am Wochenende Verpasstes nacharbeiten lassen. Das tut mir jetzt schon furchtbar leid, aber wenn sie aufgrund ihrer Ablenkbarkeit zu wenig schafft, muss ich ihr wohl beim Abarbeiten helfen. Wir werden sehen, wie es sich entwickelt. Immerhin arbeitet sie dann nicht um aufzuholen, was sie nicht kann, sondern nur im laufenden Stoff wie alle Kinder. Und die müssen zu Hause auch schaffen, was in der Schule nicht geworden ist.

Empfohlen wurde uns auch eine Verhaltenstherapie, in welcher sie lernen soll mit ihren Ängsten umzugehen, aber auch sich zu motivieren und zu konzentrieren. Da bin ich auf der Suche nach der richtigen Stelle. Ich vermeide es immer, wegen solcher Termine lange Strecken fahren zu müssen, aber Therapeuten in diesem Bereich sind rar und dann muss ja auch noch die Sympathie stimmen.

Freitag, 17. Februar 2017

Vorteilhaftes Rechnen bis 20 Plus/Minus

Es gibt mehrere Möglichkeiten Zahlen im Bereich bis 20 zu addieren bzw. zu subtrahieren. Am häufigsten ist wohl das Zerlegen einer einer Zahl und Rechnen bis zum Zehner. Effektiv ist aber auch das Verdoppeln / Halbieren oder das Recnen + / - 10. Hier Beispiele wie diese Rechenmöglichkeiten mit den Cuisenaire Stäbchen dargestellt werden:

Auf dem folgenden Foto wird aufgezeigt wie man 5+4 /5+6 über das Verdoppeln der 5 rechnen kann bzw. wie man 5+9 rechnet, indem man auf den leichteren Weg +10 zurück greift.

  
Auf dem nächsten Foto sieht man wie die Aufgaben 12-5 /12-7 über das Halbieren gelöst werden kann bzw. wie man 14-9 durch das Subtrahieren eines Zehners schneller löst.  

Das Verdoppeln und Halbieren lässt sich als Hilfe auch gut bei größeren Zahlen anwenden. Verbildlich wird wie folgt:



Mittwoch, 15. Februar 2017

Karteikarten Division

Es handelt sich bei meiner Empfehlung nicht um Karteikarten im klassischen Sinne, denn es werden Dreiecke verwendet. Gefunden habe ich die Idee hier.
Es nennt sich Dreiecks-Methode. Voraussetzung ist - wie immer beim Lernen der Division - das Beherrschen der Multiplikation. Der Divident kommt in die rechtwinklige Ecke, Divisor und Quotient in die Verbleibenden. Beim Aufzeigen der Aufgabe wird der Quotient (das Ergebnis) mit dem Finger abgedeckt. Beim Aufdecken wird jedesmal das Verhältnis der Zahlen zueinander deutlich und dass es sich im Grunde nur um eine Umkehr der Multiplikation handelt.



Meiner Tochter liegt diese bildliche Art des Lernens. So hat sie von der Division sofort eine Vorstellung im Kopf. Kommt sie nicht zügig auf das Ergebnis, zeige ich ihr (wie auch bei der Multiplikation) sofort das Ergebnis. Damit "brennt" sich das Ergbenis ein. Für die Dreiecke würde ich ein etwas festeres Papier empfehlen, sowie einen Stift, der nicht verwischt. Auch sollten die Dreiecke eine gewissen Größe haben, da es sonst beim zeigen und Weglegen nicht zügig geht.

Dienstag, 14. Februar 2017

Uhrzeit lernen - Vorlagen

Meine Tochter besucht derzeit die 3. Klasse. Nun steht der erste Test zur Uhrzeit an. Am Ende der 2. Klasse wurde das Thema schon einmal bearbeitet. Damals hatte sie große Schwierigkeiten mit der Ansage der vollen und der halben Stunde. Wir haben dann in den Sommerferien mit einer selbstgebastelten Uhr gearbeitet und das ging so gut, dass sie ganz traurig war, es ihrem Lehrer nicht mehr zeigen zu können. Er unterrichtete nun eine andere Klasse.
Aber: wir haben das Thema dann zugunsten anderer Bereiche nicht weiter verfolgt. Dies hat bei rechenschwachen Kindern meist zur Folge, dass wieder vergessen wird, was nicht bereits automatisiert war. 
Und so ist es jetzt natürlich auch. Das Wissen meiner Tochter zur Uhr ist derzeit schwierig zu beschreiben. Auf ihrer Armbanduhr kann sie recht sicher die Zeit ablesen. Diese hat einen zusätzlichen Ring, auf welchem die Minuten vermerkt sind. Auch sagt sie zuverlässig erst den kleinen dicken, dann den langen dünnen Zeiger an. Es klingt gut.


Allerdings verlasse ich mich lieber nicht darauf, dass sie die Zeit auch dann richtig ablesen kann, wenn es sein muss. Wenn es schnell gehen soll, wenn man erkennen muss, ob der Bus schon weg ist oder gleich kommt.

Sie kann inzwischen die 2 möglichen Zeiten auf der Uhr benennen und hat ein Gefühl dafür, wann diese Zeiten am Tag sind. Auch das ist bei rechenschwachen Kindern meist schon ein langer Weg. Leider versteht sie nicht, warum man 12 Stunden hinzurechnet. Ich finde immer, dass es einfacher ist, Sachen zu lernen, die man versteht. Schwierig findet sie es auch immer die Zeit richtig anzusagen, wenn der Minutenzeiger sich in der Nähe der 12 befindet. Dann sagt sie bei der Stunde manchmal eine Stunde zuviel an.
Sie weiß inzwischen aber, dass eine Stunde 60 Minten hat und kann Zeitspannen von bis zu 200 Minuten in Stunden umrechnen. 

Was aber wirklich schwierig ist, ist das Ansagen einer Uhrzeit, wenn keine Zahlen für die Minuten vorhanden sind. Sie zählt dann die Striche auf der Uhr. Auch das Berechnen von Zeitspannen ist dadurch noch nicht möglich, wobei ich mir nicht sicher bin, ob sie überhaupt den Unterschied zwischen Zeitpunkt und Zeitspanne versteht.

Im Grunde bedeutet das, dass sie zwar die Zeit ablesen kann, wenn eine geeignete Uhr vorhanden ist. Damit kann sie dann aber reichlich wenig anfangen.

Das Thema Uhr liegt mir so überhaupt nicht. Ich habe noch keine gute Idee, wie ich vorgehen soll. Sie wird jetzt einen Schulwecker aus der Schule mitbringen, damit wir uns das Zusammenspiel von großem und kleinem Zeiger ansehen können. Und natürlich werde ich sie Arbeitsblätter  machen lassen. Und eine Sache immer wiederholen bis sie wirklich sitzt.


Zeitspannen - volle Stunden (2)

Uhrzeiten lesen - viertel nach

Zeitspanne (2)

Uhrzeiten lesen - gemischt

Vorgegebene Uhrzeiten einstellen (6)

Vorgegebene Uhrzeiten einstellen (2)

Volle Stunden ablesen

Auf der Seite von Giesela Reinsch (hier) findet sich eine Unmenge von sehr gut gemachten Material!

Dass meine Tochter am Ende dieser Woche einen Test zur Uhrzeit schafft, sehe ich nicht und habe dies so auch der Schule mitgeteilt. Gelernt wird natürlich trotzdem. 

Samstag, 11. Februar 2017

Lange nicht geschrieben...

Lange habe ich hier keinen Post verfasst. Es lag aber nicht nur an Weinachten, Ferien und dem ganzen Drum und Dran. Meine Tochter hatte in der Schule einige Probleme, die nicht mit Mathe zu tun hatten. Oder jedenfalls nicht in erster Linie.

Schon im letzten Schuljahr klagte sie darüber, dass niemand mit ihr spielt, sie keine Freunde hat. Ihr damaliger Klassenlehrer sah dies nicht als sein Problem. Richtig, und auch wieder nicht. Es handelte sich um 2 ehemalige JUL-Klassen, die nun als eine 2. Klasse unterrichtet wurden und meine Tochter war in dem neuen Klassenverband nie richtig angekommen, hat aber zugleich viele Freundinnen verloren, die nun ihrerseits in die 3. Klasse gingen. Ich versuchte sie vermehrt zu verabreden, aber die Größe des Problems habe ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht erfasst. 

Die 3. Klasse begann und meine Tochter hatte kaum noch Verabredungen. Sie war über ein Jahr zu keinem Kindergeburtstag eingeladen worden. Sie erzählte, dass sie in der Pause nicht mitspielen dürfe, dass sie beim Frühstück alleine sitzen müsse usw. Irgendwann nach den Herbstferien brach sie mir im Auto heulend zusammen. Wie schrecklich alles sei, dass sie keine Freunde hätte, nur uns Eltern, dass sie immer allein wäre, dass sich die anderen Mädchen wegdrehen würden, wenn sie sie anspräche. Viele, viele Kleinigkeiten, die aber doch ein Bild gaben. Ich war dann viel mit den Lehrern im Gespräch, habe mitgelitten, und habe - da die Lehrer das Problem auch zum Großteil in dem Verhalten meiner Tochter sahen - mir das Ganze selber angesehen und beobachten können. 

Es lag sicher auch an ihr. Sie ist sehr sensibel. Hat immer gefragt, ob sie mitspielen darf und entsprechend oft Absagen kassiert. Ihr ist nicht klar, dass andere Kinder einfach mitmachen. Sie meint, dies wäre unhöflich. Sie holt sich keine Hilfe in schwierigen Situationen, so dass sie eben damit leben musste, wenn Beleidigungen fielen, sie ausgegrenzt wurde. Dass Kinder in der Grundschule petzen war ihr fremd. Ihre Klassenlehrerin meinte, dies lernen Kinder wohl schon im Kindergarten, nur meine Tochter würde sich keine Hilfe holen. 
Sie ist in ihrem Verhalten ein wenig jünger, nicht kindisch, aber sicher kindlicher. Wobei die Verhaltensspanne in der Grundschule ja groß ist. Sie geht leichtgläubig und naiv an Sätze ran, wie "dann bist du nicht mehr meine Freundin", "nie wieder spiele ich mit dir". Sie nimmt das ernst, würde sie selber so etwas doch nie sagen. Es kränkte sie, dass sie sich auf niemanden verlassen konnte und wünschte sich eine richtig gute verlässliche Freundin. Aber so ist Grundschule nicht. 
Zu dieser Zeit hatte es sich auch etabliert, dass die Mädchen um Freundinnen hart gekämpft haben. Im Morgen-Kreis wurde dies thematisiert und mehrere Kinder fühlten sich tatsächlich oft ausgeschlossen. 

Nach den ersten Gesprächen hat es noch ca. 8 Wochen gedauert, bis sich die Situation verändert hat. Ich habe meine Tochter bis zu 4 Mal die Woche verabredet. Ich weiß nicht, ob dies bei dritten Klassen sonst noch so üblich ist, aber unsere Schule ist eine private Schule mit großem Einzugsbereich, bei welchem die Kinder viel gefahren werden müssen. So sind die Eltern natürlicherweise in die Spielverabredungen eingebunden. Es wurde dann auch deutlich, dass alle Kinder nur zu gern bereit waren sich mit ihr zu treffen. Bis dahin war sie eben nie das Mädchen der Wahl, es hatte sie wohl so keiner richtig auf dem Zettel. 

Geholfen hat es in unserem Fall auch, dass ich das Gespräch mit einigen Eltern gesucht hatte, deren Kinder an den schwierigen Situationen beteiligt waren. Nicht als Hauptakteure, aber auch das Dabeisein unterstützt. Die von mir angesprochenen Eltern waren sehr offen und haben mit ihren Kindern über Ausgrenzung gesprochen. Ich habe aber auf Kontakt zu den Eltern verzichtet, deren Einwirken ich als nachteilig eingeschätzt habe.   

Beim Zeugnisgespräche zum Halbjahr der 3. Klasse wurde die Situation wieder thematisiert und es hat sich wohl einiges merklich verbessert. Zum einen wurde sie von ihrem schon lange innegehabten Randplatz, neben dem nur noch ein sprachschwaches Kind saß, neben ein anderes Mädchen gesetzt. Mit diesem war sie früher befreundet gewesen. Prompt kam es wieder zu Verabredungen und natürlich auch zu mehr Spielkontakten in der Pause.
Zwar musste meine Tochter diesen Platz nochmals wechseln, da sich beide durch ihre Art gegenseitig vom Lernen abhielten, aber auch der neue Platz neben einer sehr ruhigen, auch rechenschwachen Schülerin, ist super. In der Grundschule werden Freundschaften häufig zu den Sitznachbarn aufgebaut (es sei denn sie sind sehr unfreundlich oder schwierig). 
Auch haben die Lehrer sie wohl sehr viel vor den anderen gelobt und damit betont wie anerkannt sie ist. Da meine Tochter hat auch Schwierigkeiten in Gruppen hat ihren Platz zu finden, bekommt sie jetzt immer kleine Arbeitsgruppen zugeteilt, damit sie nicht untergeht. 
Während der Projektwoche wurde sie zudem von den sehr schwierigen Mädchen getrennt und ihr wurden sozial besser passende Kinder zugeteilt.
Und durch die vielen Verabredungen hatte meine Tochter viel öfter jemanden zum Spielen. Denn so funktioniert Grundschule: mit dem Kind, mit dem man am Nachmittag verabredet ist, wird tagsüber gespielt. Naja, und viele Verabredungen heißt auch wieder für die anderen, das Kind ist beliebt. Der Wert steigt. Und nun wurde sie tatsächlich das erste Mal nach 1 1/2 Jahren zu einem Geburtstag eingeladen und die Lehrer sprechen davon, dass sie viel positiver auftritt und lacht.

Nur das Grundproblem bleibt: sie ist sehr unsicher, fühlt sich als "unnormal", "anders", "dumm". Vieles kommt tatsächlich von ihrer Leistungsfähigkeit im Unterricht. Sie kann sich nur schlecht konzentrieren, wenn sie etwas nicht interessiert. Musik, Kunst, Theater laufen gut. Mathe, Deutsch und Sachkunde eher nicht. Mathe hat sie jetzt soweit aufgeholt, dass sie im unteren Drittel mitschwimmt. Sie könnte mehr, wenn ich wollte, aber irgendwo muss auch mal Luft zum Atmen bleiben, eine Pause.
In Deutsch ist das Ganze komplizierter. Sie liest wie ein kleiner Engel, sie schreibt aber kaum leserlich. Die Schreibschrift beherrscht sie nun weitestgehend und wenig Text kann sehr schön aussehen. Andererseits schafft sie es in 4 Zeilen 25 Fehler zu packen. In diesem Jahr gab es im Zeugnis den schönen Satz: "Die Rechtschreibung entspricht nicht den Anforderungen." In der darauffolgenden Schreibprüfung sah es dann wieder besser aus. Sie beherrscht wohl schon einige Schreibregeln. Hm, ich weiß. Mündlich kann sie richtig buchstabieren oder sie findet alle ihre Schreibfehler, wenn man sie auffordert und sie genug Muße hat. Aber unter Zeitdruck? 

Ich hatte ein Gespräch mit der Psychologin, welche ihre Dyskalkulie festgestellt hat. Sie wäre halt emotional/sozial verzögert, noch nicht schulreif (sehen die Lehrer nicht so), stände unter Druck, weniger Termine wären besser usw. Meine Frage, ob man denn nicht nun doch mal auf ADS testen könne, wie es das WOI empfohlen habe, weil ihr doch gerade Aufmerksamkeit und Konzentration so schwerfallen, kam nicht gut an. Was ich denn will, Medikamente?
Nein, eigentlich nicht. Nur ein Kind, dass entsprechend seiner Fähigkeiten lernen kann und nicht verzweifelt heult, weil es in Schönschrift eine Überschrift in eine Zeile schreiben soll. Dass ADS überhaupt erst die Ursache für Lernstörungen sein kann, bleibt völlig unbeachtet.
Meine Tochter wurde mit dem WISC getestet. Verbalteil sehr gut, der Rest gut und das akustische Arbeitsgedächtnis extrem schlecht. Das würde aber nicht ausreichen für eine Auffälligkeit. Notwendig wäre, dass die gesamte Aufmerksamkeit extrem auffällig wäre. Ihr EEG ist auffällig, aber das haben wohl viele Kinder. 

Schwierig. Mag sein, dass alles von der infantilen Zerebralparese kommt. Die ist zwar überhaupt nicht mehr sichtbar und die ganze Körperbewegung, das Gleichgewicht usw. haben sich durch Karate extrem verbessert, aber möglich wäre es natürlich. Aber woher die Konzentratonsstörung kommt, könnte im Ergebnis auch egal sein, wenn die Behandlung die selbe wäre (so ihr Kinderarzt). Mein Bauchgefühl sagt mir, ich muss dem weiter nachgehen. Denn ich habe ein cleveres Kind, dass sich für alles Mögliche tiefgehend interessiert, nur den Lernstoff in der Schule nicht behalten kann.