Sonntag, 11. September 2016

Was heiß "vorher", was "nachher"?

In einem anderen Post habe ich es schon angedeutet. Das Verstehen der Begriffe "vorher", "nachher", "Vorgänger", "Nachfolger" war für meine Tochter eine große Hürde. Sie war immer unsicher, nach was überhaupt gefragt wurde und aus welcher Richtung man schauen muss.
Problematisch wurde dies als sie in der Schule anfingen mit dem Zahlenfeld bis 100 und der Hundertertafel zu arbeiten. 

Selbst als meine Tochter bereits im Zahlenfeld bis 20 sehr sicher rechnete, konnte sie vieles nicht automatisch auf den Bereich bis 100 übertragen. Sie arbeitete zwar in der Schule mit der Hundertertafel, aber ich spürte, dass sie sich eher mit vielen kleinen Kniffen half, ohne die Systematik der Zahlen verstanden zu haben. 

Ich war mir sicher, dass es bereits am Wissen von der Zahlenreihe selbst lag, so dass wir zu Hause zunächst zählen bis und von 100 geübt haben. Vom Kopf her hatte sie das Zählen schon soweit verstanden, dass nach der 9 an der Einerstelle eine Zehnerzahl genannt werden muss. Aber es dauerte eine Weile bis sie verstanden hatte, dass nach 59 nicht 50, und nach 69 nicht 60 kommt. Neben dem Zählen in Einerschritten übten wir auch das Zählen in Zehnerschritten. Genutzt habe ich hier auch die Cuisenaire Stäbchen, weil mit diesen sichtbar wird, dass z.B. bei 5 Zehnern und 9 Einern durch hinzulegen eines weiteren Einers ein weiterer voller Zehner entsteht, der dann folgerichtig nicht 50 heißen kann. 

Neben den notwendigen stupiden Zählübungen, habe ich ihr erklärt, was "vorher" und "nachher" bedeuten. Dass diese Begriffe nicht mathematisch sind und sie nur verwirren. Korrekt heißt es "Vorgänger" und "Nachfolger." Auch die Begriffe "davor" und "danach" sollten nicht verwendet werden, da sie zusätzlich verwirren. Ich habe mit meiner Tochter eine Skizze erarbeitet und ihr den Wortstamm "vor" bzw. "nach" erklärt, so dass sie bei der Frage nach der Zahl "davor" weiß, dass nach dem "Vorgänger" gefragt wird.

Wie aber findet man einen Vorgänger? Das muss auch geübt werden. Und die Hundertertafel ist dafür nur schlecht geeignet, weil dort um jede Zahl herum bis zu 8 Nachbarn angeboten werden. Ich habe für das Herausfinden des Vorgängers und Nachfolgers das cm-Maß von IKEA zum Einsatz gebracht und meine Tochter zunächst nach einer Zahl auf dem cm-Maß suchen lassen. Sie musste sie nicht wissen, nicht ausrechnen und nicht auszählen. Diese hat sie fett farbig markiert. Dann lies ich mir den Vorgänger nennen. Also Finger eine Zahl zurück und ansagen. Dann die Frage nach dem Nachfolger und zeigen lassen. Beide lies ich sie fett mit einer anderen Farbe markieren. Ich hoffte, dass so in ihr Bild zu dieser Art Aufgaben entsteht. Dass Spiel haben wir öfter gemacht. Immer wieder mit neuen cm-Maß-Bändern, damit es nicht zu bunt wird. 

Das selbe Spiel habe ich mit den Zehnern gemacht. Also den jeweiligen 10er zuvor und den 10er nach einer Zahl. Auch habe ich mir die Skizze von ihr so erklären lassen, als wäre sie die Lehrerin und ich das Kind. So muss sie zeigen, dass sie es verstanden hat und ihr wissen selbst anwenden. Dies soll ja den meisten lernwert haben.


Was passiert mathematisch beim Vorgänger und Nachfolger? Das lies sich besonders gut mit den Cuisenaire Stäbchen abbilden. Zunächst hat sie eine Zahl mit Zehnern und Einern entlang des cm-Maßes gelegt. Danach muss sie den Vorgänger legen und optimal läuft es, wenn das Kind entdeckt, dass es nur einen Einer wegnehmen muss. Selbiges beim Nachfolger: nur einen Einer hinzulegen. Hieraus lässt sich die Addition +1 bzw. Subtraktion -1 ableiten. Klar muss natürlich immer die Richtung sein, von 0 aufsteigend nach 100.
   

Interessant ist es auch dem Kind einen cm-Maß ohne Zahlen anzubieten. Das ist natürlich schwierig. Ich habe für meine Tochter alle Zahlen auf einem IKEA-Band geschwärzt, so dass sie bis auf 0 und 100 nichts erkennen konnte. Dann lies ich sie Zahlen wie 50, 10, 90, 25 und 75 zuordnen und wir haben ihre Schätzungen mit den Cuisenaire Stäbchen überprüft. Diese Übung diente dazu ein besseres Gefühl für die Größe einer Zahl zu bekommen. Durch das Abzählen der Zehnerstangen ist es praktisch erfahrbar, wie groß eine 20, wie groß eine 80 ist.
Gemacht habe ich dies, weil mir auffiel, dass meiner Tochter nicht klar war, wie nah eine 30 oder 70 an der 25 bzw. 75 liegt. Diese Zahlen sollten eigentlich bei einer guten Vorstellung leicht zuzuordnen sein. Durch das Wissen, was sich genau zwischen 0 und 50 befindet, nämlich die 25, lassen sich auch andere Zahlen leichter einschätzen. 

Sollte irgendwann das Arbeiten mit dem Zahlenbereich bis 100 richtig gut laufen, kann ich das Kartenspiel   "The Game" empfehlen. Bei diesem muss ausgehend von 2 Einser-Karten aufwärts bzw. 2 Hunderter-Karten abwärts die Zahlen 2 bis 99 geordnet werden. Die Spieler spielen abwechselnd wobei sie sich ohne Nennung der Zahlen, die sie besitzen, absprechen dürfen, ob sie gut oder schlechte Karten besitzen. Konnte meine Tochter überraschend gut. Nur das Halten der 6 Karten fiel ihr schwer.