Montag, 5. September 2016

Uhr lernen - Zeitablauf verstehen - Zeitverständnis

Die Uhr ist lange für Kinder eine schwer verständliche Angelegenheit. Wissenschaftlich belegt ist, dass sie erst mit ca. 8 anfangen ein Zeitverständnis zu entwickeln, dass auch das sinnhafte Ablesen der Uhrzeit beinhaltet. Das deckt sich auch mit dem späten Erlernen der Uhrzeit im Schulunterricht. 
Früher - als unbedarfte Jungmutter - dachte ich immer, dass Kinder schon im Kindergarten, spätestens mit Schuleintritt, damit keinerlei Probleme haben sollten. Es gibt doch so viele Uhren für Kleinkinder oder kleine Kinder, dass ich es lange komisch fand, dass fast kein Erst- oder Zweitklässler die Uhr lesen konnte. Bis dahin dachte ich auch, dass nur meine Tochter auf Grund ihres mangelnden Zeitverständnis nicht in der Lage dazu ist, sozusagen eine Ausnahme.   

Meine Tochter hat grundlegende Probleme mit Tages-, Wochen- und Jahresverlauf. Beim Tagesablauf zeigte sich das lange daran, dass sie gefragt hat, ob es schon nachmittag ist. Haben wir mal nicht ganz so pünktlich gegessen und der Tag war ein wenig durcheinander, wußte sie nicht, ob die Mahlzeit Mittag- oder Abendessen ist oder ob noch eine Mahlzeit kommt.

Hinsichtlich des Wochenablaufs habe ich ihr zu Beginn diesen Jahres einen Kalender mit Monatsblättern gekauft. Der einzelne Monat hängt dann an ihrer Wandzeitung und ich schreibe ihr ihre ganzen Termine rein: Arztbesuche, Sport, Besuch, Ferien, Taschengeld am Sonntag, Schokolade am Samstag usw. Hierdurch hat sie zunächst ein Verständnis für den immergleichen Wochenlauf entwickelt, weil viele Termine sich regelmäßig wiederholen. Auch habe ich sie immer wieder die Wochentage abgefragt. Das klingt komisch, weil doch spätstens bei der Schuleingangsuntersuchung auch solche Fragen gestellt werden. Aber für sie war das immer wie ein Gedicht ohne tieferen Sinn. Das Kuriose ist, dass sie noch immer gern auch am Sonntag einkaufen gehen möchte und zum einen vergisst, dass dies nicht geht, zum anderen aber auch immer vergisst, wo in der Woche sie sich gerade befindet. Dass ist ihr auch peinlich und sie versucht es zu überspielen, als wäre es nur ein versehen. Von daher muss ich mit ihr immer wieder mal über den Ablauf der Woche (heute, morgen, gestern) sprechen.


Immernoch Thema ist der Jahreslauf. Anhand eines Liedes kann sie nun die 12 Monate ansagen. Jedoch nicht schnell und automatisch, so wie wir Erwachsenen es tun. Aber sie hat damit eine Eselsbrücke und findet so schon mal den Jahresanfang. 

Man sollte die Bedeutung der Tage und Monate für ein Grundschulkind nicht unterschätzen. Bei uns müssen die Kinder abwechselnd das Datum an die Tafel schreiben. Dies ist für rechenschwache Kinder jedoch ein Problem, da sie dies nicht einfach aus dem Kalender abschreiben können oder einfach bei den Tagen um einen erhöhen. Das System des Datums haben sie ja meist aufgrund ihrer zeitlichen Orientierungslosigkeit nicht verstanden. Meiner Tochter habe ich  zu Ostern noch auf ihren Wunsch hin das Datum auf einen Zettel geschrieben, damit sie von diesem abschreiben konnte. Sie mochte niemanden um Hilfe fragen und zeigen, dass sie nicht einmal das Datum aufschreiben kann. Auch war ihr bis vor kurzem nicht klar, dass es sich z.B. um den 25. Tag des 8. Monats des Jahres 2016. handelt, also die Leseart. Sie kann jetzt über ihre Eselbrücke den Montasnamen herausfinden. Und da sie nun im Zahlenbereich über 20 rechnet, fällt ihr die Addition um einen weiteren Tag leicht. 


Schwierig bleiben bestimmte Begriffe wie morgen, übermorgen, gestern, vorgestern, früher, später, nacher, vorher, Nachfolger, Vorgänger. Die letzten Begriffe sind Grundlage für Zahlenreihen und Zahlenstrahl und daher wirklich wichtig und immer noch Baustelle.

Von daher freue ich mich, dass das ablesen der zeit von einer analoge Uhr jetzt gut klappt. Von ihrem digitalen Wecker konnte sie die Zeit schon länger korrekt  ablesen und natürlich wäre es einfach gewesen, ihr eine digitale Armbanduhr zu kaufen. Darüber nachgedacht habe ich. Allerdings kann sie irgendwann mal auf eine analoge Uhr angewiesen sein und dann sollte sie diese auch lesen können. Gehört für mich zur Allgemeinbildung. Meine Tochter ist nun auch kein schwerer Fall von Rechenschwäche. Sie braucht mehr und andere Erklärungen und mehr Zeit. Aber sicher gibt es auch Fälle, für die die Uhr ein unüberwindbares Hindernis scheint. 
In der Schule wurde in den vergangenen zwei Schuljahren schon einiges erklärt. vorallem halbe und ganze Stunden, wieviele Minuten eine Stunde und wieviele Stunden ein Tag hat sowie das Zahlensystem bis 24. In ihrem Zeugnis steht dann auch, dass sie dies beherrschen würde. Stimmt nicht. Denn leider hat sie bereits wieder alles zum Thema viertel, halbe und ganze Stunde vergessen. Für ein bleibendes Verstehen müsste dieses Thema verteilt über das Schuljahr immer wieder in kurzem Abständen aufgegriffen Abständen aufgegriffen und dem Vergessen vorgebeugt werden. Die Lehrer haben zudem darauf hingewiesen, dass kein Kind die Uhr in der Schule lernt. Dies müssen die Eltern zu Hause leisten, wegen des Übungseffekts.

Ich habe ihr die Uhr jetzt ersteinmal anders erklärt, weil gelesen habe, dass gerade dieses Herangehen mit Viertel vor und nach und halb für viele rechenschwache Menschen schwierig ist:

1. soll sie schauen, zwischen welchen Zahlen der kleine dicke Zeiger steht. Hier soll sie die Zahl (1-12) ansagen, die vor dem Zeiger steht. Und 2. soll sie schauen, wo der große lange Zeiger ist (der Schnelle) und die Minuten ansagen. Dies ist auf ihrer Armbanduhr möglich, da sie in 5er-Schritten angegeben sind. An diese Regeln soll sich sklavisch halten. Feste Abläufe einzuschleifen ist für unkonzentrierte Kinder wichtig, so wird es Gewohnheit.
Als 3. Schritt sagt sie jetzt Schätzungen für die Minuten an, die zwischen den 5er-Schritten liegen, also z.B. 17 Minuten.

Problematisch wird es z.B. bei 9:55, da es dann so wirkt, als wäre es 10:55. Aber auch dies hat sie jetzt schon verstanden, dass sie ganz genau schauen muss, wenn der große dünne Zeiger in der Nähe der 12 ist. 

Ich lasse sie mehrfach am Tag die Zeit ansagen, jedenfalls wenn ich daran denke. Danach frage ich sie, was sie denkt, was dies bedeutet. Also, ob es gleich Abendessen gibt oder bald ihre Sendung anfängt usw., damit die für sie angesagte Zeit auch eine Bedeutung hat. 
Wenn das Ablesen der Zeit irgendwann zügig klappt, möchte ich ihr gern auch die Stundenangaben mit 13-24 näher bringen. Denn das versteht sie bisher nicht. Sie weiß z.B., dass 7 und 19 Uhr das gleiche auf der Uhr ist, da dann immer "Das perfekte Dinner" kommt. Sie rechnet dann von dieser 19 rückwärts, anstatt im Kopf die angezeigt Stunde + 12 zurechnen. Sie fand aber meine gebastelte Uhr gut, da sie nun weiß, dass hinter jeder Zahl von 1 -12 eine von 13 - 24 steckt und diese aber nicht genannt werden muss, damit man die angesagte Uhrzeit versteht.

Ich halte es nicht für zwingend erforderlich, dass sie die Angaben mit halber Stunde und viertel Stunde beherrscht. Jetzt üben wir erst mal das Ablesen der Uhr und das Erkennen der Stellung der Zeiger.